Bei mir steht der Jahresurlaub ins Haus. Juchuuu! Seit Monaten freue ich mich darauf. Für mich geht es erst einmal ein paar Tage in den Wald bei Hinterzarten. Das ist Balsam für die Seele und die beste Medizin gegen jede Form von Alltagsstress. Es heißt nicht umsonst "Der Wald ist der beste Therapeut". Inzwischen ist sich selbst die Forschung einig, dass der Spaziergang im Wald gut ist für Herz, Seele und Immunsystem. Na, wer hat diese positive Wirkung nicht schon selbst am eigenen Leib erlebt?! Ich liebe jedenfalls die Bäume und bin mir sicher, die Bäume lieben die Menschen. Warum sonst schenken sie uns all die wunderbaren Gaben, wie Farben, Früchte, Sauerstoff, Artenvielfalt, ein Stamm zum Anlehnen, schattige Baumkronen, Kunst, Holz uvm. Das MUSS Liebe sein :) Von der Liebe im Wald erzählt auch ein altes Grimm-Märchen, dass ich sehr mag und möglichst bald zu meinem machen möchte, so dass ich es Euch erzählen kann. Zusammen mit dem Märchentext und Bildern von meinem letzten Waldspaziergang verabschiede ich mich für einige Zeit von Euch und freue mich auf die Rückkehr Ende Juni! Bis dahin, bleibt gesund und lebt Euer Märchen Die Alte im Wald
Es fuhr einmal ein armes Dienstmädchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Räuber aus dem Dickicht hervor und ermordeten, wen sie fanden. Da kamen alle miteinander um bis auf das Mädchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen und hatte sich hinter einem Baum verborgen. Wie die Räuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei und sah das große Unglück. Da fing es an bitterlich zu weinen und sagte: "Was soll ich armes Mädchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald herauszufinden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern." Es ging herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott und wollte da sitzen bleiben und nicht weggehen, möchte geschehen, was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Täubchen zu ihm geflogen und hatte ein kleines, goldenes Schlüsselchen im Schnabel. Das Schlüsselchen legte es ihm in die Hand und sprach: "Siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, das schließ mit dem Schlüsselchen auf, so wirst du Speise genug finden und keinen Hunger mehr leiden." Da ging es zu dem Baum und schloß ihn auf und fand Milch in einem kleinen Schüsselchen und Weißbrot zum Einbrocken dabei, daß es sich satt essen konnte. Als es satt war, sprach es: "Jetzt ist es Zeit, wo die Hühner daheim auffliegen, ich bin so müde, könnt ich mich doch auch in mein Bett legen." Da kam das Täubchen wieder geflogen und brachte ein anderes goldenes Schlüsselchen im Schnabel und sagte: "Schließ dort den Baum auf, so wirst du ein Bett finden." Da schloß es auf und fand ein schönes, weiches Bettchen; da betete es zum lieben Gott, er möchte es behüten in der Nacht, legte sich und schlief ein. Am Morgen kam das Täubchen zum drittenmal, brachte wieder ein Schlüsselchen und sprach: "Schließ dort den Baum auf, da wirst du Kleider finden," und wie es aufschloß, fand es Kleider, mit Gold und Edelsteinen besetzt, so herrlich, wie sie keine Königstochter hat. Also lebte es da eine Zeitlang, und kam das Täubchen alle Tage und sorgte für alles, was es bedurfte, und war das ein stilles, gutes Leben. Einmal aber kam das Täubchen und sprach: "Willst du mir etwas zuliebe tun?" "Von Herzen gerne," sagte das Mädchen. Da sprach das Täubchen: "Ich will dich zu einem kleinen Häuschen führen, da geh hinein, mittendrein am Herd wird eine alte Frau sitzen und ›Guten Tag‹ sagen. Aber gib ihr beileibe keine Antwort, sie mag auch anfangen, was sie will, sondern geh zu ihrer rechten Hand weiter, da ist eine Türe, die mach auf, so wirst du in eine Stube kommen, wo eine Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tisch liegt, darunter sind prächtige mit glitzerigen Steinen, die laß aber liegen und suche einen schlichten heraus, der auch darunter sein muß, und bring ihn zu mir her, so geschwind du kannst." Das Mädchen ging zu dem Häuschen und trat zu der Türe ein; da saß eine Alte, die machte große Augen, wie sie es erblickte, und sprach: "Guten Tag, mein Kind." Es gab ihr aber keine Antwort und ging auf die Türe zu. "Wohinaus?" rief sie und faßte es beim Rock und wollte es festhalten, "das ist mein Haus, da darf niemand herein, wenn ich's nicht haben will." Aber das Mädchen schwieg still, machte sich von ihr los und ging gerade in die Stube hinein. Da lag nun auf dem Tisch eine übergroße Menge von Ringen, die glitzten und glimmerten ihm vor den Augen; es warf sie herum und suchte nach dem schlichten, konnte ihn aber nicht finden. Wie es so suchte, sah es die Alte, wie sie daherschlich und einen Vogelkäfig in der Hand hatte und damit fort wollte. Da ging es auf sie zu und nahm ihr den Käfig aus der Hand, und wie es ihn aufhob und hineinsah, saß ein Vogel darin, der hatte den schlichten Ring im Schnabel. Da nahm es den Ring und lief ganz froh damit zum Haus hinaus und dachte, das weiße Täubchen würde kommen und den Ring holen, aber es kam nicht. Da lehnte es sich an einen Baum und wollte auf das Täubchen warten, und wie es so stand, da war es, als wäre der Baum weich und biegsam und senkte seine Zweige herab. Und auf einmal schlangen sich die Zweige um es herum und waren zwei Arme, und wie es sich umsah, war der Baum ein schöner Mann, der es umfaßte und herzlich küßte und sagte: "Du hast mich erlöst und aus der Gewalt der Alten befreit, die eine böse Hexe ist. Sie hatte mich in einen Baum verwandelt, und alle Tage ein paar Stunden war ich eine weiße Taube, und solang sie den Ring besaß, konnte ich meine menschliche Gestalt nicht wiedererhalten." Da waren auch seine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei, die sie auch in Bäume verwandelt hatte, und standen neben ihm. Da fuhren sie fort in sein Reich, denn er war eines Königs Sohn, und sie heirateten sich und lebten glücklich.
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Es war einmal ein frommer Königssohn, den alle Menschen gern hatten. Eines Tages zog der Sohn aus seines Vaters Schloss hinaus in die Welt, um sein Glück zu suchen. So kam es, dass er bald in einem fernen Land lebte, wo nur hohe Dünen Schatten warfen und die Sonne so heiß brannte, dass man in ihr ein Ei braten konnte. Dort verliebte er sich in eine wunderschöne Prinzessin, die für ihre Klugheit und ihr großes Herz weithin bekannt war. Er wollte sie heiraten, doch hatte er noch kein eigenes Königreich. So zogen sie gemeinsam durch nahe und ferne Länder auf der Suche nach einer neuen Heimat und ihrem eigenen Land, das sie zusammen regieren konnten.
Auf ihrer Reise kamen sie in prächtige Städte, wo sie viele Freunde fanden. Aber auch durch wilde Gegenden führte ihr Weg, und dort begegneten ihnen Mutter Natur und ihre guten Waldwesen. Mutter Natur sah, wie sehr sich die beiden liebten und sich eine Heimat wünschten. Und so wies sie ihre Waldwesen an, wenn das Paar all ihre Prüfungen bestünde und so ihre Herzen bewiesen, so sollten sie die beiden in ihr Glück führen. Das junge Paar, so gut und gütig sie waren, lösten alle Aufgaben und so kamen sie schließlich an den Ort, der ihre neue Heimat sein sollte. Sie bezogen ein prächtiges Schloss und mit einem freudigen Fest wurde endlich Hochzeit gefeiert. Sie waren sehr glücklich und das Glück wurde noch größer als die junge Königin im Jahr darauf ihr erstes Kind erwartete. Emsig wurden Vorkehrungen getroffen und das Volk und alle, die davon erfuhren, freuten sich auf den kleinen Prinzen. Als der kleine Prinz im bunten Herbst gesund geboren wurde, sollte ein großes Fest gefeiert werden. Alle sollten dazu eingeladen und niemand vergessen werden. Doch als das Königspaar die Einladungen schrieben und bei Mutter Natur und den Waldwesen angelangt waren, hielten sie inne. "Meine liebe Frau," sagte der König zu seiner Gemahlin, "die Waldwesen sind mir lieb und teuer, doch sind sie einfach und schmutzig. Sie werden nicht zu Unseresgleichen passen und unserem Sohn nichts von Wert bieten können. Wir laden sie besser nicht ins Schloss ein." Die Königin war nicht froh über den Vorschlag. Sie liebte die Mutter Natur und ihre Waldwesen und wollte sie nicht vergrämen. "Wie sollten sie uns böse sein?" beruhigte der König seine Frau. "So weit entfernt werden sie den Anlass nicht erfahren und deshalb nicht betrübt sein." Die Königin gab schließlich nach und so kam der Tag des Festes und alle, die geladen waren, erschienen im Schloss. Die Gäste brachten kostbaren Perlenschmuck, edelsteinbesetzte Becher, edle Stoffe aus goldenem Faden und das Königspaar war überglücklich über die wertvollen Geschenke. Es war ein schönes Fest und niemand dachte mehr an Mutter Natur und ihre Waldwesen. Diese aber hatten vom Wind und der Sonne längst von dem Kind erfahren. Es betrübte sie sehr, dass der König und die Königin sie scheinbar vergessen hatten seit sie gemeinsam die Welt bereist hatten. Im Glauben, dass es sich um ein Versehen handeln musste, machte sich Mutter Natur am Abend des Festes dennoch auf den Weg, um ihre Glückwünsche zur Geburt zu überbringen. Als sie im Schloss ankam und durch den Festsaal hinüber zur Wiege des Kindes schritt, verstummten alle im Saal und sie sprach: "Es muss ein Versehen gewesen sein, dass ihr die Natur nicht zu diesem Feste geladen habt. Nun bin ich froh, da zu sein." Der König aber wurde böse und schalt sie: "Kein Versehen liegt hier vor. Ihr seid nicht eingeladen. Seht die Geschenke dort! Keine eurer Gaben könnte unserem Sohn ein reicheres Leben bieten. Und seht die prächtig gekleideten Gäste! Ihr dagegen seid schlicht, eure hölzerne Krone hat keinen Glanz und eure blanken Füße sind voller Erde." Mutter Natur ward bei diesen Worten schwer ums Herz und sie sah, dass sie geblendet waren. Mit fester Stimme entgegnete sie: "Hört mich an Königspaar! Ihr irrt, wenn ihr glaubt, dass Glanz und Reichtum eurem Sohn die Welt zu Füßen legen. Eure Herzen sind gut, aber eure Torheit soll dem jungen Prinzen kein Schaden sein. Darum hört meine drei mal drei guten Wünsche! Dies sind meine Gaben: Drei Tiere sollen bis zum achtzehnten Lebensjahr an des Prinzen Seite wachen. Ihre Tugenden sollen in des Jungen Herzen ein Zuhause finden und es ganz ausfüllen." Da brach sie einen Ast aus ihrer Krone und zauberte damit einen Bären herbei. "Der Bär soll dem Königssohn Kraft schenken, damit er der Härte des Lebens und seinen Gegnern begegnen kann. Er soll ihn auch Sanftmut lehren, so dass Kraft und Gefühl sich immer die Waage halten. Und beschützen soll er ihn, dass er nie Angst haben muss." Sie brach einen zweiten Ast ab und sogleich erschien ein Hund. "Der Hund soll dem Prinzen zeigen, wie wichtig Freundschaft ist. Seine Loyalität soll ihm Vertrauen in die Gemeinschaft schenken und ihm ein gutes Gespür für die Herzen der Menschen vermitteln." Abermals brach sie einen Ast aus der Krone und eine Eule flatterte herein. "Die Eule soll ihm das Lernen leicht machen, so dass sich sein Geist mit Wissen fülle, seine Sinne sich schärfen und sein Horizont weit werde. Diese Gaben seien der Schlüssel zu seinem Glück." Mit diesen Worten verschwand Mutter Natur und das Königspaar hielt sich an den Händen. Sie waren nicht länger ärgerlich, sondern fanden, dass Mutter Natur im Recht war. Kein Geld der Welt konnte ihrem Sohn einen guten Charakter und Glück kaufen. So hießen sie die Tiere im Schloss willkommen und waren gut zu ihnen. Die drei mal drei guten Wünsche sollten mit den Jahren alle wahr werden und der kleine Prinz wuchs zu einem prächtigen Mann heran, der vielen Menschen ein Vorbild wurde. Urheberin: Sandra Marzec Tiere und Büchlein: Sandra Marzec
Es ist schon lange her, da lud einmal der März den April zu Gaste. Dieser machte seinen Wagen zurecht und fuhr fort, aber der März schickte Schnee und Frost, und so konnte der April mit dem Wagen nicht durchkommen und musste umkehren.
Im nächsten Jahr um dieselbe Zeit wollte der April es noch einmal versuchen und holte seinen Schlitten hervor, um zum März zu fahren. Aber der März machte es warm, und die Flüsse traten aus, so dass der April wieder umkehren musste. Da begegnete er unterwegs dem Mai und klagte ihm seine Not: 'Wie oft schicke ich mich an, den März zu besuchen, und nie kann ich ihn erreichen, weder zu Wagen noch zu Schlitten! Fahre ich mit dem Wagen, so wird es wieder Winter, und nehme ich den Schlitten, so kommt warmes Wetter, und es taut und regnet so stark, dass man weder mit dem Schlitten noch mit dem Wagen vorwärts kommt.' Da sagte der Mai: 'Ich will dir raten, wie du es machen musst: nimm den Wagen, den Schlitten und ein Boot, dann kannst du schon durchkommen.' Der April wartete bis zum nächsten Jahre, dann tat er, wie der Mai ihm geraten. Er fuhr mit dem Schlitten und hatte noch einen Wagen und ein Boot darauf gepackt. Da sandte der März warmes Wetter, und der Schnee taute. Sogleich befestigte der April den Schlitten und das Boot auf dem Wagen und fuhr weiter. Nach einer Weile wurde es wieder kalt, es fror und schneite tüchtig, aber der April packte wieder alles auf den Schlitten und kam ein gut Stück weiter. Zuletzt trat Tauwetter ein, und es ergossen sich die Wasser überall, da konnte man nicht zu Schlitten und nicht zu Wagen reisen. Der April aber nahm sein Boot, packte die beiden überflüssigen Fahrzeuge hinein und gelangte so zum März. Dieser war sehr erstaunt, er hatte den April ja doch foppen wollen. 'Wer hat dir denn geraten, wie man zu mir kommen muss?' fragte er ärgerlich. 'Das war der Mai,' sagte der April. Da rief der März: 'Na warte nur, Mai, das will ich dir eintränken!' und schickte dem Mai ein paar tüchtige Nachtfröste. Und das tut er nun jedes Jahr, weil er dem Mai noch immer zürnt. Russisches Märchen Ich hatte sprichwörtlich einen Seelenverwandten, also einen Verwandten, der mich beseelt hat: mein Öpi! Mein Öpi war ein fröhlicher, sehr fantasievoller Mensch, der Geschichten - wer weiß woher - einfach aus dem Hut zaubern konnte und mit mir zum Lachen, ebenfalls sprichwörtlich, in den Keller ging. Er war ein toller Erzähler! Allzeit bereit und unermüdlich hat er mir von wundersamen Wesen und deren abenteuerlichen Geschichten berichtet. Er hat mir auch vorgelesen. Aber darin war er eher nicht so gut. Gelesen hat er nämlich immer nur die ersten paar Zeilen. Danach hat er jedes Märchen lieber zu seiner Geschichte gemacht und mir erzählt, wie es sich wirklich zugetragen haben soll. Er war mein Held, mein Zauberer, mein Tor zu einer anderen verwunschenen Welt. Er starb als ich kaum 11 Jahre alt war. Als Kind verdrängt man. Als Kind vergisst man. Aber Öpi´s Welt lebte wohl sehr lebendig in mir weiter, denn der Ruf der Großen "Du wirst wohl nie erwachsen!" begleitete mich viele Jahre. Die Aussage irritierte mich stets und wirkte auf mich wie ein Tadel. Ich war doch nur Ich. War das denn nicht gut so?
Im Alter von 18 Jahren zog ich in meine erste eigene Wohnung. Ich wohnte noch gar nicht lange allein, als ich begann außergewöhnlich oft und intensiv an meinen lieben Öpi zu denken. Viele Erinnerungen liefen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab und manchmal war er mir so präsent, als würde er neben mir auf dem Sofa sitzen. Diese Phase dauert so an die sechs Monate. Eines Tages hielt ich ein altes Foto von ihm und mir in der Hand. Ich fühlte mich sehr geliebt und verstanden und auch allein gelassen. Wie von selbst formten sich die Worte in meinem Kopf und ich setzte mich an den Schreibtisch und schrieb dieses Gedicht für ihn: Ich trage dich im Herzen bei Tag und bei Nacht, Du hast mir so vieles beigebracht. Geschichten und Märchen erzähltest du mir, meine bunte Fantasie, die hab´ ich von Dir. Das Lachen im Keller, es fehlt mir so, die Zeit mit Dir war immer froh. Ich wünschte, Du könntest mich heut´ sehn und mir auf meinem Weg zur Seite stehn! Dir Frieden im Himmel, ich denke an Dich und hoffe, Du bist stolz auf mich. Was diese gedankenintensive Zeit bedeutete und wie sehr sich mein Wunsch nach seiner Präsenz erfüllen würde, sollte ich erst 17 Jahre später begreifen. Heute weiß ich: Ich hatte geerbt. Mein Öpi kam zu mir als ich 18 Jahre alt war, eine Zeit, in der wir entscheiden, wer wir einmal sein wollen. Er kam zu mir und vermachte mir seinen riesigen Geschichtengarten. Ich hatte ihn fast vergessen und es deshalb nicht gleich verstanden. Damals sah ich wohl das offene Tor, aber dahinter nur ein buntes Wirrwarr und so bin ich nicht hinein gegangen. Stattdessen bin ich erwachsen geworden. So vergingen die Jahre. Zurück blickend weiß ich, dass mein Öpi nie von meiner Seite wich. Geduldig hat er mich meine Erfahrungen machen lassen. Nie war er böse, dass ich sein Erbe nicht antrat und seinen Geschichtengarten derart vernachlässigte. Aber immer wenn ich traurig oder in eine Sackgasse geraten war und nicht weiter wusste, da lenkte er meinen Blick auf das offene Gartentor. Hindurch gegangen bin ich nicht - bis vor 3 Jahren. Ich war gerade von Potsdam nach Lauf bei Nürnberg gezogen. Fern der Heimat, ohne Freunde und Hobbies erhoffte ich mir vielleicht, in dem alten Geschichtengarten etwas Vertrautes zu finden. Ich trat also ein in Öpi´s Garten und betrachtete mein Erbe. Außer dem bekannten bunten Wirrwarr konnte ich nichts erkennen. Alles war verschwommen und seltsam still. Hätte ich damals meinen Öpi dort nicht so wohltuend an meiner Seite gespürt, ich wäre sicher nicht wieder hin gegangen. So aber kam ich immer mal wieder, um mich weniger allein zu fühlen. Je öfter ich nun durch das Tor in den Garten ging, umso mehr entdeckte ich: Da waren plötzlich Bäume, Blumen und Sträucher, blühende Hecken, weiches Gras und im Wind wogende Halme. Jedes Mal kamen auch mehr Geräusche hinzu: der Wind in den Blättern, das Knacken im Holz, Vogelgezwitscher, das Zirpen der Grillen, das Rascheln der Igel, überhaupt waren da immer mehr Tiere. Ich weiß nicht, was den Geschichtengarten zum Leben erweckte. Oder war es nie ein anderer als dieser gewesen? Ich besuchte meinen Garten immer öfter, erkundete alle Winkel, ich ging viele Wege, längst nicht alle und kannte mich nach einiger Zeit ganz gut aus. An einem dieser warmen Frühlingstage durchstreifte ich ihn wieder einmal, legte mich auf eine Wiese und lauschte dem mir so lieb gewordenen Summen und Säuseln im Garten. Ich sah hinauf in die Wolken und suchte in ihnen Gestalten, wie ich es als Kind so oft getan hatte. Ich lag also da, schaute und lauschte; wen würde es da wundern, wenn ich dachte, ich träumte als ich plötzlich Stimmen vernahm. Sie waren sehr leise. Als ich mich aufsetzte und umschaute, verloren sie sich sogleich im Rauschen des Windes. Seltsam! Hatte ich mir das nur eingebildet? Nun, dass dem ganz und gar nicht so war, sollte ich bald erfahren. Denn von nun an hörte ich dieses wunderliche Wispern, wann immer ich mich im Garten hinsetzte. Und es verschwand sofort, sobald ich die Geräuschquelle ergründen wollte. "Ich werde hoffentlich nicht verrückt!" betete ich im Stillen. So ging es Tage und Wochen. Aus anfänglicher Neugier wurde Ärger und schließlich beschloss ich, sollte ich diese Stimmen noch einmal hören, würde ich sie einfach ignorieren. Eine Weile ging ich nicht mehr in den Geschichtengarten. Inzwischen war Sommer geworden und an einem Tag, an dem die Hitze in den Bäumen hing, das Gemüt schläfrig und die Glieder müde waren, ging ich doch wieder einmal hin geradewegs zum Gartenteich. Dort legte ich mich nieder, schloss die Augen und spielte verträumt mit den Zehen im Wasser. Ich summte leise vor mich hin und war ganz zufrieden. Da...ganz in der Nähe, dicht bei meinem Ohr, da vernahm ich leise Stimmen. Ja, doch! Ich war ganz sicher. Es waren zwei; zwei piepsige Stimmen unterhielten sich. Am liebsten hätte ich die Augen aufgerissen und sogleich nachgesehen. Doch dass dies nichts bringen würde, hatte ich ja schon zu genüge erfahren. Ich kniff also die Augen fest zusammen und spitzte die Ohren. Ich vernahm die Stimmen ganz deutlich, konnte aber kein Wort ausmachen. Was war das für eine Sprache? Ich lauschte gespannt weiter. Oh, was war das? Mir war, als würden winzig kleine Schritte näher und näher kommen. Die Spannung in meinem Körper stieg, aber ich rührte mich kein Stück. Was ging hier vor sich? Huch! Irgendetwas war soeben auf meiner Nase gelandet...hihi wie das kribbelte. Jetzt siegte doch die Neugier und so öffnete ich ganz laaaaangsam und nur einen winzigen Spalt breit mein rechtes Augen. Ein Schmetterling - es war ein wunderschöner Schmetterling! Ich öffnete nun beide Augen, setzte mich auf und schielte das kleine Kerlchen auf meiner Nase an. "Welch seltsame Begebenheit" dachte ich noch, als der kleine Schmetterling plötzlich sagte: Hallo Schlafmütze! Wie schön, dass du endlich aufgewacht bist! Mit einem Satz war ich auf den Beinen und zum Gartentor hinaus! Ich bin ein fantasievoller Mensch, das wusste ich. Aber das ging zu weit! Irgend- etwas musste dort in diesem Garten wachsen, dass mir die Sinne vernebelte. Anders waren diese Vorkommnisse nicht mehr zu erklären. Es war bereits Herbst bis ich mich das nächste Mal dazu bewegen konnte, zum Garten zu gehen. Vor dem Winter sollte ich wenigstens kurz nach dem Rechten sehen. Als ich nun vor dem Gartentor stand, war es dort ungewöhnlich still. Gerade wollte ich nach dem Torriegel greifen, als sich ein dünner Weidenast danach reckte und den Riegel anhob. Gleich flog ein halbes Dutzend Tauben herbei und öffnete das Tor. Dahinter saß ein Fuchs am Wegesrand. Der schaute mich vielsagend an und trottete dann langsam in Richtung Wäldchen davon. Wie verzaubert folgte ich ihm tief hinein in den Geschichtengarten. Auf einer Lichtung schließlich blieben wir stehen. Die Sonne schien durch ein Wolkenloch direkt auf die kleine Wiese vor mir, an dessen Rand unzählige Tiere, kleine Wesen und sagenhafte Gestalten saßen, und sie alle schauten mich erwartungsvoll an. Ein hundsgroßer Stein rollte an meine Seite und grinste mich an. Ich war wie versteinert. Konnte das wahr sein? Da kam wieder der kleine Schmetterling geflogen. Er umtanzte mich freudig in schwungvollen Kreisen und ich musste mich auf den lächelnden Stein setzen - mir war ganz schwindelig. Der kleine Flattermann setzte sich endlich auf mein Knie und sagte in einer mir seltsam vertrauten Stimme: Willkommen Sandra! Willkommen zurück in Deinem Geschichtengarten! Da rückten all die Wesen des Gartens ganz nah zu mir heran und sie begrüßten mich herzlich, wie ich es nie zuvor erlebt habe. Ich sei "endlich wieder Zuhause" drang es in mein Ohr. Zuhause? Ja, Zuhause! Genau so fühlte es sich mit einem Mal an. Ich streckte beide Hände aus, umarmte meine Freunde und schloss sie alle in mein Herz. Seither gehe ich sooft ich kann in meinem Geschichtengarten. Dort lehne ich mich an einen Baum und höre den Wesen zu, wenn sie von ihren wilden Abenteuern berichten, erstaunliche Geschichten und so manches überliefertes Märchen erzählen. Einiges von dem, was ich dort belausche, teile ich mit Euch. Aber pssst...woher diese Geschichten kommen, das bleibt unser kleines Geheimnis! Urheberin: Sandra Marzec |
AutorinMein Name ist Sandra Marzec. Ich bin Geschichtenerzählerin, Personal/Life Coach, Entspannungstrainerin und Schreiberin :) ArchivKategorien |